Stellungnahme des AStA der Universität Mainz zu den "Montagsspaziergängen" und Aufruf zur Unterstützung der Gegendemonstrationen

In Rheinland-Pfalz und insbesondere in Mainz finden seit einigen Wochen speziell an Montagen Demonstrationen und unangemeldete 'Spaziergänge' im weitesten Sinne 'gegen die momentanen Coronamaßnahmen' statt. Es handelt sich hier um eine überschaubare, aber wachsende Menge und sicherlich um ein politisches Spektrum: vereinzelte politisch Unbedarfte laufen gemeinsam mit Esoteriker*innen, Verschwörungsideolog*innen, AfD und weiteren Rechten bis extrem Rechten. Die Mitlaufenden lassen sich Schilder in die Hand drücken mit Botschaften, die mal banal ("Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun"), oft aber krude, faktisch falsch, verschwörungsideologisch und/oder gefährlich sind (z.B. "Immunsystem statt Impfung", "Schau nach USA! Keine Maßnahmen [sic!] keine Toten!", oder auch die Behauptung, Geimpfte seien genauso ansteckend wie Ungeimpfte).

Unter den Mitlaufenden befinden sich nicht nur Menschen, die verzweifelt in ihrer Lage oder mit den aktuellen Maßnahmen und Beschränkungen zu Corona unzufrieden sind. Unter ihnen befinden sich auch Menschen, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, die Verschwörungsideologien und sogenannte "alternative Fakten" über die Impfung verbreiten, die die "Wirkung" von homöopathischen Mitteln über wissenschaftliche Studien zu den Impfstoffen stellen.
Solche Menschen zeigen sich nicht nur unsolidarisch mit der Mehrheit der Bevölkerung, die Angst vor einer Infektion mit der Omikron-Variante und "Long Covid" hat, mit der Überlastung der Kranken- und Pflegekräfte im Gesundheitswesen und mit Risikogruppen die seit über zwei Jahren nicht mehr am gesellschaftlichen Leben gleichermaßen teilhaben können. In ihrer unkollegialen Impfverweigerung auf Basis egozentrischer Interessen zeigen sie sich ebenso unsolidarisch mit Gesellschaften des globalen Südens, deren Gesundsheitssysteme am zusammenbrechen sind und auf Impfstoff hoffen.

Das Ausmaß, in welchem rechte, geschichtsrevisionistische, populistische und verschwörungsideologische Gruppen, Impfgegner*innen, Nazis und wissenschaftsleugende Esoteriker*innen, die von "manipulativer" und "staatsgesteuerter" Presse phantasieren und die Unsicherheit und Verzweiflung anderer für sich gewinnen, ist enorm. Sie schaffen es, Menschen für "unbedenkliche Schilderläufe" zu mobilisieren, eine kollektive Identität zu schaffen und somit alte Menschen oder Familien mit Kindern mit gefährlichen, demokratiefeindlichen Gedankengut zusammenzubringen.
Gruppen die mitlaufen sind beispielsweise "Mainz geht spazieren" oder die sogenannten "Freiheitsboten", die bereits durch eine Desinformationskampagne auf sich aufmerksam machten und Beziehungen zur verschwörungsideologischen "Basisdemokratischen Partei" (Die BASIS) pflegen.

In den Montagsspaziergängen liegt gefährliches Radikalisierungspotenzial. Es ist falsch und verharmlosend, diese Menschen als "verrückt" oder "durchgeknallt" zu bezeichnen. Die Querdenker*innen sind nicht blödsinnig, sondern legitimieren innerhalb ihrer Gruppen verfassungsfeindliche Ansichten, Gewalt gegen Journalist*innen oder Praktiken der extremen Rechten wie bspw. Fackelläufe. Nicht alle Menschen in den Bewegung sind Nazis, aber alle Menschen in der Bewegung solidarisieren sich durch ihre Teilhabe mit Nazis und allen noch so staatsfeindlichen Positionen als Teil des Kollektivs.
Das Leugnen und Runterspielen der Pandemie und bestimmter pandemieeindämmenden Maßnahmen wie Impfungen und das Tragen von Masken sind brandgefährlich und müssen gemeinsam bekämpft werden.

Der AStA der Johannes Gutenberg-Universität Mainz solidarisiert sich mit den Gegendemonstrationen der Montagsspaziergänge. Es ist elementar, dass rechtspopulistischen und wissenschaftsfeindlichen Aussagen entgegengetreten wird und diese nicht allein im Raum stehenbleiben. Wir erkennen das Gefährdungspotenzial innerhalb der Corona-Leugner*innen-Bewegung für die Wissenschaftsfreiheit, der Demokratie und dem gesellschaftlichen Miteinander. Es sollte selbstverständlich sein, dass diese Art des politischen Engagements, dass so viele Menschen gefährdet und sich von den Risikogruppen, wie z.B. Immungeschwächten und älteren Mitbürger*innen, Pflegekräften und Mediziner*innen und so vielen mehr entsolidarisiert, keinen Platz im öffentlichen Diskurs haben sollte. Dass nun viele engagierte Menschen diese Selbstverständlichkeit erkämpfen, unterstützen wir ausdrücklich. Wir rufen alle und insbesondere unsere Kommiliton*innen dazu auf, sich den Gegendemonstrationen anzuschließen - wir sehen uns auf der Straße.