Stellungnahme zu dem am 16.09.2020 beschlossenen Hochschulgesetz (HochSchG)

Am 16.09.2020 hat der Landtag nach langer Beratung und Anhörungen durch das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MWWK) ein neues Hochschulgesetz beschlossen. Der Allgemeine Studierendenausschuss der Johannes Gutenberg-Universität (AStA) hat sich aufgrund der Anhörung durch das MWWK (Link zur Stellungnahme: https://asta.uni-mainz.de/files/2019/10/2019_10_10_PM_HochSchGNovelle_AStA_Mainz-zusammengef%C3%BCgt.pdf) und auch außerhalb im Gesetzgebungsprozess eingebracht und dabei die Interessen der Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität vertreten.

“Der AStA setzte im letzten Jahr durch die mehr als hundert Seiten lange Stellungnahme zum Gesetzentwurf des MWWK ein starkes Zeichen für die studentischen Interessen, die in dem Gesetzentwurf Einzug finden sollten”, stellt Philipp Seidel, Vorsitzender des AStA, fest. Zahlreiche Vorschläge, für die der AStA im Anhörungsprozess geworben hatte, wurde vom MWWK übernommen oder durch einen Änderungsantrag im Landtag eingebracht. “Die Abschaffung von unbegründeten Anwesenheitspflichten in Seminaren, die Verlängerung der Regelstudienzeit um ein Semester aufgrund der Einschränkungen durch die Coronapandemie haben wir gefordert. Dass dies jetzt kommt, begrüßen wir”, erklärt Johannes Maurer, Referent für Hochschulpolitik des AStA.

Die in § 7 Abs. 7 HochSchG vorgesehene Experimentierklausel wird grundsätzlich begrüßt. Auch wenn der Gesetzgeber die Forderung des AStA, dass von den grundsätzlichen Mitbestimmungerechten der Studierenden, die ohnehin nur sehr beschränkt sind nicht abgewichen werden kann nicht aufgenommen wurde, werden wir uns mit den studentischen Senatsmitgliedern dafür einsetzen, die Experimentierklausel mit Leben zu füllen. Angedacht ist hier insbesondere die Schaffung des Amtes eines studentischen Präsidiumsmitgliedes, da im Präsidium bisher eine studentische Perspektive fehlt.

Die Schaffung der Möglichkeit von Teilzeitstudiengängen in § 20 Abs. 2 HochSchG wird ausgesprochen begrüßt. Dadurch wird insbesondere studierenden Eltern eine angemessene Studienorganisation ermöglicht. Allerdings muss das Land die hierfür erforderlichen Mittel bereitstellen; ohne diese bleibt die Möglichkeit aus § 20 Abs. 2 HochSchG nur eine leere Floskel.

Mit der Abschaffung von Anwesenheitspflichten in Seminaren konnten wir eine jahrelange Forderung der Studierenden durchsetzen. Wir setzen uns hierbei für eine Debattenkultur ein, die ihre Stärke daraus zieht, dass Studierende sich für die Inhalte ihres Studiums interessieren und daher an notwendigen Diskussionen teilnehmen und nicht an dem bisherigen Konzept orientiert, die Zulassung zur Abschlussprüfung nur durch eine Anwesenheit, die für sich genommen nichts zu den Debatten beiträgt, abhängig zu machen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die entsprechende Änderung in § 26 Abs. 2 Nr. 7 HochSchG auch umgesetzt wird und Anwesenheitspflichten tatsächlich nur noch bei Praktika, Orchesterproben und vergleichbaren Veranstaltungen gefordert werden.

Der AStA bedauert, dass dem Konzept der Nichtbestehensfiktion in § 26 Abs. 2 Nr. 8 HochSchG trotz unseres Einsatzes keine Absage durch den Gesetzgeber erteilt wurde. Es ist dadurch immer noch möglich, dass Studierende eine Prüfung als nicht bestanden gewertet bekommen, zu der sie sich nicht einmal angemeldet haben, weil sie eine Frist aus der Prüfungsordnung versäumt haben. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass nur mangelnde Leistungen oder Fehlverhalten der Studierenden und die Nichtteilnahme an einer angemeldeten Prüfung zu einem Nichtbestehen führen dürfen und nicht das Versäumen der Anmeldung.

Hinsichtlich der Öffentlichkeit von Sitzungen wurde eine Chance für eine breitere Beteiligung der Mitglieder der Hochschulen vertan. Der Senat bleibt das einzige Organ der Hochschule, das hochschulöffentlich tagen muss. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass § 41 Abs. 2 HochSchG dahingehend geändert wird, dass andere Organe als der Senat, der Fachbereichsrat und der Hochschulrat auch hochschulöffentlich tagen soweit nicht rechtliche Gründe entgegenstehen. Dadurch wäre insbesondere eine Teilnahme an den Sitzungen der Senatsausschüsse möglich gewesen.

Der AStA begrüßt es, dass der Gesetzgeber die Forderung des AStA berücksichtigt hat, dass Stellungnahmen der Studierenden dem Besetzungsvorschlag bei Berufungen beizufügen ist und dies nicht mehr nur fakultativ erfolgt (§ 50 Abs. 5 HochSchG). Dadurch wird der Stimme der Studierenden Gehör ermöglicht.

Dass der Gesetzgeber weiter daran festhält, dass Studierende zu exmatrikulieren sind, wenn sie ihren Krankenkassenbeitrag nicht zahlen (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 4 HochSchG) und die dazu vom AStA ausführlich geäußerte Kritik nicht aufgenommen hat, ist bedauerlich. Diese Bestimmung hatte zwar einst eine  Berechtigung, ist jedoch in Anbetracht der Sanktionsmöglichkeit aus § 16 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht mehr erforderlich und im Hinblick darauf, dass keine andere gesellschaftliche Gruppe einen solch starken Grundrechtseingriff wie die Exmatrikulation zu erdulden hat nicht nachzuvollziehen.

Die Bestimmungen des § 69 Abs. 3 HochSchG (Exmatrikulation wegen schwerer Verfehlungen) sind aus Sicht des AStA immer noch ein systematisch nicht nachvollziehbares Stückwerk. So bedarf es wie bisher für eine Exmatrikulation wegen einer Straftat gegen das Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung einer
rechtskräftigen Verurteilung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HochSchG), wegen Nachstellens nach § 238 StGB jedoch nicht (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HochSchG). Der AStA hat hier vorgeschlagen, alle Straftatbestände abzudecken, im Sinne der Rechtssicherheit stets eine rechtskräftige Verurteilung und eine Bezugnahme auf die Gefährdung von Rechtsgütern anderer Hochschulangehöriger herzustellen, statt ohne Beachtung der Systematik hin und wieder neue Tatbestände aufzunehmen. Der AStA begrüßt hingegen, dass durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen die reaktionäre Bestimmung, dass auch bei einem nicht strafbaren Fehlverhalten ohne Schaden für das Land oder die Hochschule eine Exmatrikulation erfolgen soll wieder gestrichen wurde.

Dass sich der Gesetzgeber nicht dazu durchringen konnte, durch die Abschaffung der Zweitstudiengebühren einen Beitrag zur Chancengleichheit in der Bildung zu schaffen und der Überschrift des § 70 („Studiengebührenfreiheit“) tatsächlich gerecht zu werden, wird vom AStA sehr bedauert. Der AStA begrüßt, dass durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen die Möglichkeit geschaffen wurde, dass die Studierendenschaften die Amtszeiten ihrer Organe in der Satzung selbst bestimmen können.

Diese Forderung stammt aus unseren Fachschaften, die berechtigterweise seit langem fordern, dass ihre Amtszeit nur ein Semester betragen solle, damit sie jedes Semester neue engagierte Mitglieder gewinnen können. Der AStA wird hierzu im Einvernehmen mit dem Zentralen Fachschaftenrat eine entsprechende Satzungsänderung im Studierendenparlament beantragen.

Hinsichtlich der Verwaltungsräte der Studierendenwerke ist immer noch nicht nachvollziehbar, warum in diesen Professor*innen mit Stimmrecht vertreten sind, obwohl diese keine Beiträge an die Studierendenwerke entrichten und nicht vom Aufgabenkatalog in § 112 Abs. 5 HochSchG adressiert sind. Immerhin hat das MWWK auf Kritik des AStA im endgültigen Entwurf im Verglich zu dem im Rahmen der Anhörung vorgelegten nachgesteuert und zumindest eine noch weitere Einschränkung der Mitbestimmungsmöglichkeit der Studierenden in den Studierendenwerken verhindert.

Insgesamt begrüßt der AStA, dass ihm nicht nur die Gelegenheit zur Stellungnahme durch das MWWK und
Abgeordnete und Fraktionen des Landtages gegeben wurde, sondern die vorgebrachten Änderungsvorschläge auch zum Teil aufgenommen wurden. Allerdings erachtet der AStA einige Probleme immer noch als ungelöst und einige bereits seit vielen Jahren vorgebrachte Forderungen der Studierenden als noch nicht erfüllt, obwohl diese ausführlich dargelegt und begründet waren und auch von Vertreter*innen des MWWK und des Landtages positiv aufgenommen wurden. Der AStA wird hinsichtlich dieser nicht genutzten Chancen weiterhin für die Belange der Studierenden eintreten.

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